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Ausstellungsarchiv

Pompeji, Nola, Herculaneum – Katastrophen am Vesuv

Vom 09. Dezember 2011 bis zum 26. August 2012.

Vom 9. Dezember 2011 bis 26. August 2012 beherbergt das Landesmuseum für Vorgeschichte die größte und umfassendste Pompeji-Ausstellung der letzten Jahre. Auf einer Fläche von circa 1.300 Quadratmeter werden circa 500 Exponate bzw. Exponatkomplexe präsentiert, 25 leihgebende Insitutionen aus dem In- und Ausland trugen zum Gelingen der Präsentation bei. Das neuartige Konzept der Ausstellung wurde eigens für die Präsentation des Landesmuseums entwickelt und ermöglicht in verschiedener Hinsicht einen ganz neuartigen Blick auf die verschütteten Stätten am Vesuv. Prächtige Rauminstallationen, Statuen, Alltagsgegenstände verschiedenster Art erwecken die Stätten am Vesuv zu neuem Leben. Spektakuläre Exponate, wie einer der berühmten bronzenen Läufer aus der Villa dei Papiri von Herculaneum, stehen neben Objekten, die durch Ausgrabungen erst der jüngsten Vergangenheit zu Tage kamen und erstmals außerhalb Italiens zu sehen sind. Teilweise wurden die Exponate auch letztmalig ins Ausland verliehen, bevor sie in Italien eine dauerhafte Heimstatt finden.

Im Februar des Jahres 1766 bestieg Fürst Franz von Anhalt-Dessau im Rahmen seiner »Grand Tour« den Vesuv und besichtigte Pompeji und Herculaneum, keine 20 Jahre, nachdem dort reguläre Ausgrabungen aufgenommen worden waren. Die Eindrücke des Fürsten fanden später unmittelbaren Eingang in sein Dessau-Wörlitzer Gartenreich: in der Ausstattung von Schlössern, der Nachahmung der Villa Hamilton und – noch heute ein einzigartiges Highlight – in der Nachbildung des Vulkans Vesuv, der nach wie vor zu besonderen Anlässen zum Ausbruch gebracht werden kann. Die Antikenrezeption nördlich der Alpen war geboren. Nun sind die Stätten am Golf von Neapel zu Gast in Halle.

Seit Jahrtausenden besiedeln Menschen die fruchtbaren Hänge und Ebenen am Golf von Neapel, eine Landschaft, über die sich allgegenwärtig der Vesuv erhebt. Lebensspuren aus mehreren Jahrtausenden zeigen, wie sehr das Leben am Fuße des Vulkans in dieser Zeit stets auch von Naturkatastrophen geprägt war – ein Aspekt, dem hier erstmals diachron nachgegangen wird. Ein Vesuvausbruch der Zeit um 1.900 vor Christus verschüttete das bronzezeitliche Dorf von Nola. Seine Bewohner konnten rechtzeitig fliehen und hinterließen dabei Fußabdrücke, die nun in Halle zu sehen sind. Die künstlichen Inseln der Feuchtbodensiedlung von Poggiomarino – eine Art »vorgeschichtliches Venedig« – fielen den Naturgewalten mehrfach zum Opfer und wurden schließlich um 700 vor Christus aufgegeben. Weitere Verwüstungen verursachte im 8. Jahrhundert vor Christus ein auf der Insel Ischia aktiver Vulkan. Bei Punta Chiarito wurden die Reste eines von diesem Ereignis zerstörten Hauses entdeckt. Im gleichen Grabungsareal hat sich außerdem das komplette Inventar eines eisenzeitlichen Fischerhauses erhalten, das im 6. Jahrhundert vor Christus von einem Erdrutsch unter Geröllmassen begraben wurde. Zusammen mit einem Fresko aus der Basilika von Cimitile – der ältesten christlichen Wandmalerei außerhalb Roms –, die bei einem Vulkanausbruch im Jahr 472 nach Christus verschüttet wurde, verdeutlicht diese Reihe, dass auch die große und bekannte Zerstörung Pompejis, Herculaneums und weiterer Städte 79 nach Christus kein Sonderfall, sondern »nur« eine in einer ganzen Reihe von wiederkehrenden Verwüstungen ist.

Dass eine solche die Region am Golf von Neapel auch heute noch bedroht, ist ein Aspekt, der ebenfalls thematisiert wird. So geht die zentrale Installation im Atrium des Landesmuseums der Frage nach, was wohl Archäologen der Zukunft nach einem weiteren Ausbruch des Vesuvs finden würden. Verschiedene »echte« Funde aus der Antike sind hierzu zeitgenössischen Objekten gegenübergestellt, der Beinschiene eines Gladiators beispielsweise ein Paar Schienbeinschoner des SSC Napoli – natürlich nicht in unversehrtem Zustand. Im Zentrum des Atriums jedoch steht ein prächtiger Bankettraum aus Moregine. Die rot gehaltenen, originalen Wände, die letztmalig außerhalb Italiens zu sehen sind, zeigen Apollon und die Musen und bilden den Hintergrund zur Erläuterung des antiken Banketts, das für die Römer der Antike von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung war und das hier anhand verschiedener Objekte und Wandmalereien veranschaulicht wird. Über all dem ist in einer Projektion an die Decke des Atriums der Vulkan stets gegenwärtig.

Einen weiteren zentralen Bestandteil des Ausstellungskonzeptes bildet das Alltagsleben in der antiken Stadt Pompeji, das im Jahr 79 nach Christus so abrupt beendet wurde. Um dieses in all seinen Aspekten beleuchten zu können, wird erstmals ein konkret ausgegrabener, erhaltener Haushalt in den Mittelpunkt gestellt, wie er in einer solchen Fülle noch nie außerhalb Italiens zu sehen war: die Casa del Menandro, eines der größten repräsentativen Häuser der Stadt Pompeji. Rund um das Korkmodell der Insula, der zentralen Installation in diesem Raum, gruppieren sich verschiedenste Objekte aus dem Inventar des Hauses. Das Spektrum reicht von Transportamphoren über Möbelbeschläge bis hin zu einem prächtigen Schatz aus Silbergefäßen und Schmuckstücken, der im Keller des Hauses gefunden wurde.

Repräsentation und Wohlleben werden auch im Obergeschoss der Ausstellung thematisiert. Exquisite Bronzestatuen des Gottes Apollo und verschiedener Tiere, die zugleich als Wasserspeier dienten und aus dem Garten des sog. Hauses des Kitharaspielers stammen, begrüßen den Besucher und lenken den Blick weiter auf die zentrale Rauminstallation, dem Eingang zum Stockwerk gegenüber: die originalen Wandmalereien aus dem Gartentriclinium des sogenannten Hauses des Goldenen Armreifs. Sie gehören zu den schönsten erhaltenen Fresken aus Pompeji. In einzigartig lebendiger Weise ist hier ein künstlicher Garten an die Wand gebannt – in einem Zimmer, von dem aus man in der Antike den Blick auf den realen Garten des Hauses genoss. Mi dem Bild des Lebens kontrastieren die Gipsausgüsse der Toten, die ebenfalls aus Pompeji nicht wegzudenken sind: In dem Haus des Goldenen Armreifs wurden mehrere Opfer des Vulkanausbruchs geborgen, eine Frau, ein Mann und zwei Kinder, denen nicht mehr rechtzeitig die Flucht gelungen war, wohl die wohlhabenden Bewohner des Hauses. Dafür spricht der massive, über 6oo Gramm schwere Goldarmreif, den die Frau noch am Arm trug und der ebenfalls ausgestellt wird.

Weiterer Aspekt des pompejanischen Alltags, der wieder aus dem Kosmos des Hauses herausführt, sind die Gladiatorenspiele, die, wie in der römischen Antike allgemein üblich, zur Unterhaltung des Volkes im Amphitheater der Stadt abgehalten wurden. Auf einzigar- tige Weise wird dieser durch einen Komplex prachtvoller, mit aufwendigen Reliefdarstellungen verzierter Helme und Beinschienen aus der Gladiatorenkaserne von Pompeji repräsentiert. Die Waffen verdeutlichen die unterschiedlichen Gladiatorengattungen, die nach festen Regeln in der Arena miteinander kämpften. So trat etwa der Retiarius, ein nur leicht Bewaffneter mit Fischernetz und Dreizack, stets gegen den Secutor an, der mit Schild und Schwert sowie einem Helm mit kleinen Augenöffnungen ausgestattet und daher ungleich schwerfälliger war.

Auch weitere Aspekte des Lebens in der antiken Stadt, wie die Entwicklung der Sozialstruktur vor und nach dem verheerenden Erdbeben von 62 / 63 nach Christus, von dem Pompeji sich zum Zeitpunkt des Untergangs noch nicht wieder vollständig erholt hatte, oder auch das Thema Erotik werden selbstverständlich thematisiert.

Den Bogen nach Sachsen-Anhalt schlägt wiederum ein weiterer genuiner Aspekt des Ausstellungskonzeptes. Erstmals wird aufgezeigt, dass Mitteldeutschland auch zur Zeit des Untergangs von Pompeji nicht ohne Verbindungen nach Italien war. Funde aus dem Freien Germanien spiegeln Handels- und möglicherweise auch diplomatische Kontakte wider. So wird zum ersten Mal seit seiner Entdeckung im Jahr 2008 das Grab einer reichen Germanin öffentlich ausgestellt, das in einem Urnengräberfeld der frühen Römischen Kaiserzeit bei Profen (Burgenlandkreis) gefunden wurde. Die Frau war standesgemäß auf einem Bärenfell verbrannt und in einer bronzenen Urne beigesetzt worden; nach dem Brand wurde außerdem prächtiger Goldschmuck in die Urne gegeben. Die Fuchsschwanzketten aus dieser Bestattung finden unmittelbare Parallelen im Fundbestand der Vesuvstädte, ebenso wie ein kleines Achatgefäß aus Kleinjena. Zwei Silberbecher aus einem Grab bei Hoby (Dänemark), stellten möglicherweise Geschenke eines römischen Generals an einen Germanen dar, und selbst die berühmte Varusschlacht des Jahres 9 nach Christus hinterließ in Form einer Münze aus Sanne (Landkreis Stendal) ihre Spur in Sachsen-Anhalt.

Die Wiederentdeckung Pompejis im 18. Jahrhundert und die Protagonisten der Antikenrezeption im Gebiet des ehemals Freien Germanien, Fürst Franz von Anhalt-Dessau und sein Freund, Berater und Baumeister Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff bilden mit ausgewählten Objekten unter anderem aus dem Dessau-Wörlitzer Gartenreich, den Abschluss des Rundgangs und gewissermaßen einen Ausblick auf die Korrespondenzausstellung, die ab April 2012 unter dem Titel »Ferne Welt ganz nah – Pompeji im Gartenreich Dessau-Wörlitz« im Gartenreich zu sehen sein wird.

Die Ausstellung ist ein Kooperationsprojekt des Landesmuseums für Vorgeschichte, der Soprintendenza Speciale per i Beni Archeologici di Napoli e Pompei, dem Ministero per i Beni e le Attività Culturali, dem Museo Archeologico Nazionale di Napoli und der Kulturstiftung DessauWörlitz und steht unter der Schirmherrschaft des Presidente della Repubblica Italiana, On. Dr. Giorgio Napolitano, und des Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Dr. h.c. Christian Wulff, später Joachim Gauck.

Alles auf einen Blick!

Hier können Sie das Infoheft zur Sonderausstellung ›Pompeji, Herculaneum, Nola – Katastrophen am Vesus‹ [1,48 MB, PDF, nicht barrierefrei] herunterladen.

Kooperationspartner der Sonderausstellung

Soprintendenza Archeologica Napoli e Pompei
Ministerio per i bene e le attivita culturali
Kulturstiftung DessauWörlitz

Förderer der Sonderausstellung

Wir danken unseren Förderern und Unterstützern.

Die Ausstellung wurde finanziert durch Mittel des Landes Sachsen-Anhalt.

Sie wurde gefördert durch das Bundesprogramm ›Investitionen für nationale Kultureinrichtungen in Ostdeutschland‹, das Kultusministerium Sachsen-Anhalt, die Kulturstiftung der Länder, die Volksbank Halle (Saale) eG, die Investions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt, die DB Bahn und den Verein zur Förderung des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (Saale) e.V.

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