Die Erzbischöfe aus dem Magdeburger Dom
In den Jahren 2006 bis 2010 fanden im Rahmen einer Kooperation des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt mit der damaligen Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt (heute: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt), der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Landeshauptstadt Magdeburg archäologische Ausgrabungen im Magdeburger Dom statt. Diese Untersuchungen erbrachten nicht nur wichtige neue Erkenntnisse zur Baugeschichte des herausragenden Kulturdenkmals, sondern mit der Wiederentdeckung der Bestattung der Königin Editha, der ersten Gemahlin Kaiser Ottos des Großen, auch einen gänzlich überraschenden und besonders spektakulären Fund, der an anderer Stelle gesondert vorgestellt wird. Daneben wurden in der Nähe des Lettners die Bestattungen der Erzbischöfe Wichmann von Seeburg (1116 bis 1192) und Otto von Hessen (1301 bis 1361) entdeckt, die ebenfalls von außerordentlich hohem wissenschaftlichen Interesse sind und spannende Beobachtungen ermöglichen.
Besonders herausragend sind die außergewöhnlich gut erhaltenen und zugleich sehr fragilen Textilfunde in beiden Bestattungen. So trug Wichmann unter anderen eine Mitra aus golddurchwirktem Brokat und goldverzierte Schuhe. Und auch im Falle der Bestattung Ottos von Hessen ist die textile Grabausstattung nahezu vollständig erhalten. Aufgrund der Qualität und Erhaltung der Beigaben in den beiden bedeutenden Bestattungen wurden diese unter Einhaltung strengster konservatorischer Bedingungen gesichert und geborgen. Die Arbeiten wurden in einem klimatisierten und abgeschotteten Raum durchgeführt, in dem beide Bestattungen als Blöcke gehoben werden konnten.
Nach Röntgenuntersuchungen im Computertomografen – in diesem Zusammenhang gilt ein herzlicher Dank der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Herrn Dr. Oliver Großer – wurden die Bestattungen, um etwaigem Schimmelbefall vorzubeugen, in zwei mit Stickstoff befüllte Klimakisten gebettet und nach Halle in die Restaurierungswerkstatt des Landesmuseums für Vorgeschichte gebracht. Hier wurden und werden sie von einem Restauratorenteam untersucht, freigelegt, restauriert und konserviert.
Zunächst wurde die Blockbergung von Wichmann untersucht und bearbeitet. Dafür musste vorab eine Reinigung und eine partielle Sicherung des stark verschmutzten und angegriffenen Materials durchgeführt werden. Zur Untersuchung des Bestatteten waren Analysen zu den Textilien (Faserbestimmung, Webtechnik, Musterung, Erhaltungszustand und so weiter) und zu den Grabbeigaben wie Kelch, Patene und Bischofsstab notwendig.
Einzelne Funde wurden im Zuge der Bearbeitung entnommen, so zum Beispiel der feuervergoldete Kelch und die Patene. Aber auch die prachtvolle Mitra und die mit Edelsteinen und Flussperlen besetzten Schuhe wurden vorsichtig freigelegt. Das Fundmaterial wurde Stück für Stück und mit hoher Präzision untersucht und restauriert, sodass es seit November 2018 mit möglichst umfassenden Erkenntnissen im neuen Dommuseum Ottonianum in Magdeburg der Öffentlichkeit präsentiert werden kann.
Auch die weniger prunkvolle, aber deshalb nicht weniger interessante Bestattung des Erzbischofs Otto von Hessen wird seit Anfang 2016 wissenschaftlich untersucht und konserviert. So konnte die Form seiner liturgischen Obergewänder aus kostbaren Seiden- und Halbseidenstoffen und teilweise sogar deren Gewebemuster rekonstruiert werden. Auch die liturgische Bekleidung des Kopfes, der Hände und Füße ist derart gut erhalten, dass sie anhand von Vergleichsbeispielen näher eingeordnet werden konnte. Ein im Kopfbereich liegendes Stoffknäuel, das zunächst Rätsel aufgab, konnte, nachdem es sorgfältig vom Schädel abgenommen und behutsam aufgefaltet worden war, bei der Untersuchung unter dem Mikroskop als Gesichtsschleier aus Seide und Goldfäden identifiziert werden. Am geglätteten Gewebe konnten außerdem Teile des Musters rekonstruiert werden. Erkennbar sind beispielsweise ein gezackter schräger Rahmen und eine vereinfachte, sich wiederholende Lilie.
Einen Beitrag aus unserer Kategorie »Fund des Monats« zum Thema »Magdeburger Erzbischöfe« finden Sie hier:
»Gesichtsschleier und Kinnbinde aus dem Grab des Magdeburger Erzbischofs Otto von Hessen«