Das Massengrab von Lützen
Während des Dreißigjährigen Krieges standen sich am 16. November 1632 bei Lützen zwei große Heere gegenüber: Gustav II. Adolf führte sein schwedisch-protestantisches Heer gegen die kaiserlich-katholischen Truppen von Wallenstein in eine der verlustreichsten Schlachten des Krieges. Von dem Ereignis, in dessen Verlauf der Schwedenkönig selbst sein Leben verlor, zeugen neben schriftlichen Quellen auch archäologische Funde vom Schlachtfeld, das im Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes untersucht wurde. Im Jahr 2011 bargen Archäologen ein besonders beredtes Zeugnis der Schlacht: Ein Massengrab, in dem sich 47 Individuen befinden. Der Befund wurde im Block geborgen und im November 2011 in die Restaurierungswerkstatt des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle transportiert. Hier wurde die Blockbergung von einem interdisziplinären Team aus Archäologen, Anthropologen, Grabungstechnikern und Restauratoren unter Laborbedingungen untersucht, konserviert und zur Präsentation in einer Ausstellung aufbereitet.
Die Präparierung von Blockbergungen hat eine lange Tradition im Landesmuseum. Die Ausmaße und das Gewicht des Massengrabes übertrafen jedoch alle bisherigen Erfahrungen. Rund 54 Tonnen wogen die beiden Blöcke, die Ausmaße von je fünf mal vier Metern aufwiesen. Für die Sonderausstellung ›Krieg – eine archäologische Spurensuche‹ (Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale), 6. November 2015 bis 22. Mai 2016) sollte das Massengrab aufrecht stehend präsentiert werden. Vorher sollten sowohl seine Ober- als auch Unterseite (beziehungsweise in der Präsentation: Vorder- und Rückseite) unter Beibehaltung des Befundzusammenhanges eingehend archäologisch und anthropologisch untersucht werden.
Nach Abschluss der archäologischen Analysen und Dokumentationen musste das Massengrab also gedreht werden. In Vorbereitung auf die Drehung wurde die freigelegte Vorderseite gesichert. Hierbei kam neben einem flüchtigen Festigungsmittel und einer Sandpackung eine Kappe aus einem Glasfaser-Polymergips-Laminat zum Einsatz. Diese wurde mit einem Sand-Gips-Gemisch bedeckt, anschließend der Block mit Bohlen geschlossen. Nach der Drehung konnte die Rückseite untersucht und freigelegt werden, wobei aus statischen Gründen so viel Sediment wie möglich entnommen wurde. Die anschließende Präparierung für die Ausstellung begann mit dem Auftrag einer Sediment-Acrylat-Schicht auf Wasserbasis, welche die gesamte rückseitige Oberfläche bedeckt. Die Knochen wurden in eine angedickte Acrylmasse eingebettet, die auch zum Auffüllen von Unterschneidungen genutzt wurde. Auch besondere Befundbereiche auf der Rückseite sollten als ›Fenster‹ zur Ansicht präpariert werden. Hier wurden die Knochen nach der Bedeckung mit der Sediment-Acrylat-Schicht in eine mit Glasfaser verstärkte Epoxidharzschicht eingebettet. Abschließend konnte die Rückseite durch ein Glasfaser-Polymergips-Laminat, das als stabiles Bett für den Befund dient, versteift und ein stabiler Aluminium-Rahmen angebracht werden. Im nächsten Schritt wurde der Block zurück gedreht und die ehemalige Oberseite als Vorder- beziehungsweise Hauptansichtsseite präpariert. Hier wurde das verbliebene Sediment gefestigt und aufgefüllt. Die Knochen wurden fixiert und Unebenheiten des Untergrundes mit einer Sediment-Acrylat-Schicht ausgeglichen. Auf diese Weise konnte das Massengrab erfolgreich für Ausstellungszwecke präpariert, aber auch in seiner ursprünglichen Befundsituation konserviert werden.
Welche Geschichten die Toten des Massengrabs erzählen, beruhend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht nur der Archäologie und ihr Leben und Leiden in Zeiten des Krieges steht im Mittelpunkt des Films ›Lützen 1632 – eine archäologische Spurensuche‹. Er entstand 2015 im Rahmen der oben genannten Sonderausstellung im Landesmuseum. Eine Reihe von Interview-Filmen zur Schlachtfeldarchäologie stellt diese noch recht junge Disziplin innerhalb der Archäologie vor. Mehrere Beispiele aus ganz Europa bieten einen ersten Überblick zu ihren Fragestellungen und Methoden.