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Königin Editha

Von 2006 bis 2010 fanden im Rahmen einer Kooperation des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt mit der damaligen Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt (heute: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt), der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Landeshauptstadt Magdeburg archäologische Ausgrabungen im Magdeburger Dom statt. Die Untersuchungen erbrachten eine Fülle wichtiger und spannender Ergebnisse. Der überraschendste und spektakulärste Fund war sicherlich die Entdeckung des Sargs der Königin Editha – der ersten Gemahlin Kaiser Ottos I. – die 946 nach Christus im Alter von ungefähr 36 Jahren in Magdeburg verstorben war.

In Zusammenhang mit der Untersuchung der Baugeschichte des Doms wurde es Mitte November 2008 notwendig, das renaissancezeitliche Grabmal der Königin Editha von 1510 zu verschieben. Dieses galt bereits lange Zeit als Kenotaph, das heißt ›leeres Grab‹, und damit als reines Denkmal ohne tatsächliche Funktion als Sarkophag. Diese Annahme erwies sich jedoch als falsch: Im Inneren des vermeintlichen Kenotaphs wurde ein Bleisarg entdeckt. Laut der Inschrift auf seinem Deckel barg dieser die sterblichen Überreste der Königin Editha nach ihrer zweiten Umbettung im Jahre 1510.

Da sich der Bleisarg in einem stark abgebauten Erhaltungszustand befand, entschied man sich, die Sicherung sowie die Restaurierung und Untersuchung des Sarges sowie seines Inhalts in der Restaurierungswerkstatt des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle durchzuführen.

Daher wurde er geborgen und in der Restaurierungswerkstatt des Landesmuseums für Vorgeschichte unter Laborbedingungen untersucht und restauriert. An der Erforschung der Bestattung war ein über 40-köpfiges Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der unterschiedlichsten Disziplinen beteiligt, deren Forschungen insbesondere der Klärung einer großen Frage diente: Handelte es sich bei den Gebeinen in dem Bleisarg tatsächlich um die sterblichen Überreste der Königin Editha?

Gleich nach dem Öffnen des Sargdeckels und des eingelegten Leinentuches wurde ersichtlich, dass es sich hier um einen außergewöhnlichen Fund handelte: Neben den Gebeinen der Bestatteten konnten unterschiedliche, offensichtlich hochwertige Textilien gesichtet werden. Alles lag in unsortiertem und durchwühltem Zustand vor: mindestens fünf verschiedene Textilarten (aus unterschiedlichen Zeitstellungen), Knochen, Mörtelreste, Holz- und Eisenfragmente sowie auffallend viele Käferreste.

In aufwändiger und lang andauernder Freilegung wurden all diese Funde systematisch aus dem Sarg entnommen, protokolliert und dokumentiert. Materialuntersuchungen begleiteten diesen Prozess.

Insgesamt konnten 821 Verpackungseinheiten an Fundmaterial sichergestellt werden: von sehr kleinen Fragmenten wie beispielsweise Holzstücken bis hin zu größeren Textilkonglomeraten, darunter mehrere ›Blöcke‹.

Die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Untersuchungen am Knochenmaterial sowie weitere Indizien führten zu dem Schluss, dass die Gebeine mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Königin Editha zuzuordnen sind. Diese Untersuchungen (DNA- und Strontiumisotopenanalyse, 14C-Datierung, anthropologische Untersuchungen hinsichtlich Geschlecht, Gesundheitszustand und Körperbau und so weiter) sowie die Altersbestimmung der Textilien wurden vorwiegend von Kooperationspartnern der Restaurierungswerkstatt durchgeführt.

Nach der Freilegung, Erstanalyse und Dokumentation der Textilien wurden diese verpackt und in einem geeigneten klimatisierten Raum gelagert. Bis heute werden sie Stück für Stück, besser gesagt ›Block für Block‹, von einer externen Textilrestauratorin bearbeitet. Mit viel Aufwand werden die miteinander verklumpten Fragmente entfaltet, gereinigt und gesichert. Das Muster wird rekonstruiert und Analysen zur Webtechnik und Herstellung durchgeführt, sodass Rückschlüsse auf die Zeitstellung, Qualität und Quantität der Textilien gezogen werden können. Da die Textilien aus mindestens drei unterschiedlichen Zeitstellungen stammen (9. bis 11. Jahrhundert), kann vermutet werden, dass Editha mehrfach umgebettet wurde.

Der Bleisarg aus dem 16. Jahrhundert ist partiell durchkorrodiert und wurde an diesen Stellen stabilisiert. Auch hier sind materialtechnische Untersuchungen durchgeführt worden. Seit Anfang November 2018 ist der Bleisarg im neuen Dommuseum Ottonianum in Magdeburg zu sehen. Die Gebeine der Königin Editha wurden am 22. Oktober 2010 in einem neuen Sarg aus Titan – gestaltet von der Künstlerin Cornelia Thümmel – wiederbestattet.

Detaillierte Informationen zur Bergung, Freilegung und Analyse der sterblichen Überreste der Königin Editha sowie der Textilien, der Pflanzen- und Käferreste aus dem Bleisarg sind in der Publikaton ›Königin Editha und ihre Grablegen in Magdeburg‹ erschienen. Der Band ist im Museumsshop des Landesmuseums für Vorgeschichte, beim Verlag Beier & Beran sowie im Buchhandel erhältlich und ermöglicht es allen interessierten Leserinnen und Lesern, sich näher mit dem spannenden Fund und seiner Untersuchung zu beschäftigen. 

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